Folge 39: Wenn dein Herzensmensch stirbt
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Du weißt genau, wer dein Herzensmensch ist. Altmodisch spricht man auch vom „Alter Ego“. Der Begriff „Alter Ego“ stammt von Cicero und besagt, ein „guter Freund sei wie ein zweites Selbst“. Gemeint ist hier eine besonders intensive Verbindung zwischen zwei Personen, die sich ergänzen und wo der andere jeweils Teil der eigenen Identität wird. Zwischen Eltern und Kindern besteht insbesondere in den frühen Jahren oft eine sehr enge Beziehung, wo Vater und Mutter ganz dicht jeden Schritt des jungen Lebens miterleben, als sei es ihr eigenes. Das Kind wird dann als wesentlicher Teil zur eigenen Vollständigkeit erlebt. Mit der Zeit wird diese Beziehung meist loser, denn Aufgabe des älter werdenden Kindes ist die Ablösung von den Eltern und die Entwicklung einer eigenen Identität jenseits von Mutter und Vater. Wir hören nicht auf unsere Kinder zu lieben, aber für kaum jemanden ist das erwachsene Kind ein „Alter Ego“, dazu erlebt man es zu wenig, denn inzwischen hat es sein eigenes Leben, manchmal fernab von uns.
Am meisten trifft der Begriff Herzensmensch auf die lange währende, manchmal fast symbiotisch anmutende Liebesbeziehung zu, wo zwei Menschen über die Jahre miteinander und ineinander verschmolzen sind. Paare, die gemeinsam so vieles erlebt haben, Freude wie Schmerz, zwei Menschen, die miteinander älter geworden sind und über all die Jahre nie aufgehört haben, eine besondere Nähe zu teilen. Der Mensch, mit dem du den Tag beginnst und den Abend beschließt. Dein Herzensmensch, der dir wohl auch manchmal auf die Nerven geht, aber mit dem du verwoben bist wie mit keinem anderen.
Wenn dieser Mensch stirbt, mit dem du fast dein ganzes Leben verbracht hast, ist das ein unglaublicher Bruch in der Kontinuität deiner Existenz. Du kennst dich gar nicht ohne ihn. Mit seinem Tod bist du aus deinem früheren Leben rausgeworfen worden. Alles musst du neu lernen. Das Erwachen am Morgen, wenn das Bett neben dir leer ist. Den einsamen Abend, wo dir niemand mehr von seinem Tag erzählt. Die einsamen Mahlzeiten ohne ein Gespräch. All die Jahre hattest du wie selbstverständlich deine Freuden und Sorgen mit ihm geteilt und nun bist du allein. Du blickst auf seinen Platz, doch niemand erwidert deinen Blick. Du bist einsam und merkst, dass niemand diese Leere aufzufangen vermag, die sein Tod in dir hinterlassen hat. Dein Leben ist unvollständig und deine Sehnsucht frisst dich manchmal auf.
Die anderen sehen kaum etwas davon, denn es steht dir nicht ins Gesicht geschrieben, wie sehr du leidest. Sie machen dir Komplimente und sagen du sähest gut aus. Vielen mutet es normal an, wenn der Partner stirbt, denn einer der beiden muss ja irgendwann gehen. Einer geht immer zuerst. Für dich ist es alles andere als normal. Auch wenn manche glauben, du müsstest längst drüber weg sein, tobt in dir das Vermissen. Du vermisst ja nicht nur ihn, sondern auch dich selbst, als die Person, die du mit ihm warst. Als du dich geliebt und geborgen fühltest. Als du dachtest, eine lange Zukunft würde vor euch liegen.
Es dauert meist Jahre, bis sich Menschen nach solch einem Verlust wieder heimisch im Leben fühlen. Wie nach jedem schweren Verlust gilt auch hier: du musst dein altes Leben verabschieden und ein neues finden. Manche bleiben allein und entwickeln sich jenseits von Partnerschaft. Es ist ein mühsames Unterfangen, und die Einsamkeit bleibt für viele die größte Herausforderung. Andere erleben das anfangs für fast unmöglich gehaltene Wunder, sich noch einmal mit einem anderen Menschen eng zu verbinden zu können und eine neue Partnerschaft zu wagen.
Egal wie dein Weg ist, trau dich und sei bereit.