Folge 26: Therapeuten mit und ohne Zertifikat

 

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In deinem Verlust bist du auf der Suche danach, was dich unterstützen kann. Dabei werden unterschiedliche Wege eingeschlagen. Manche ziehen sich ganz in sich zurück, weil sie meinen, nichts und niemand könne ihnen helfen. Sie sprechen nicht über das Geschehene und halten im Verborgenen Ausschau nach Wegen des Weiterlebens. Andere dagegen suchen offensiv nach Hilfsmitteln gegen die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Sie fragen bei Ärzten, Seelsorgern, Trauerbegleitern. Sie fragen bei mir. Sie lesen Bücher und besuchen Trauergruppen. Was dein Weg ist, musst du selbst herausfinden. Es gibt kein Rezept, wie du lernen kannst, mit deinem Verlust zu leben. Du selbst musst vieles ausprobieren, um eine Antwort zu finden. Das Einzige, was mit größter Wahrscheinlichkeit nicht helfen wird, ist völliger Rückzug in Passivität.

In der Vielfalt der Hilfsmöglichkeiten ist es nicht leicht, sich zurechtzufinden. Medikamente gegen deine Trauer gibt es nicht. Manchmal verschreiben Ärzte trotzdem Antidepressiva oder Beruhigungsmittel, in der Hoffnung damit weiterzuhelfen. Meist ist das wirkungslos oder hilft allenfalls in Teilbereichen (z.B. beim Schlafen). Nur wenn sich bei dir neben der Trauer eine echte Depression entwickelt, können Medikamente sinnvoll sein.

Eigentlich sollte die Kirche Zuwendung und Orientierung geben. Heutzutage ist das schwierig, weil der Glaube für viele kaum noch Bedeutung hat. Trotzdem sind manche Geistliche eine großartige Hilfe. Viele andere aber wirken überfordert, wenn es um die Begleitung nach schwerem Verlust geht und sie wissen nicht, wie sie mit dir umgehen sollen. Auch Psychotherapie per se ist nicht immer hilfreich. Psychotherapeutinnen sind zwar gut in der Behandlung verschiedener psychischer Störungen ausgebildet, von Trauer haben sie allerdings oft wenig Ahnung. Das liegt zuallererst daran, dass Trauer keine Krankheit ist und nicht therapiert werden kann, sondern in vielfacher Hinsicht ein adaptiver autonomer Prozess, der von außen nicht lenkbar ist. Aber natürlich gibt es auch in der Psychotherapie einfühlsame, geduldige und inspirierende Menschen, die eine wichtige Stütze sein können.

Auch Trauerbegleiterinnen bieten (oft ehrenamtlich) ihre Hilfe an. Häufig haben sie selbst Verlusterfahrungen gemacht und später eine Laienausbildung in der Begleitung von Menschen nach Verlust absolviert. Durch ihre eigene authentische Erfahrung können sie dir wichtige Impulse in der Trauer geben. Vor allem sind sie geduldige Zuhörer, und das ist immens wichtig, weil die anderen Menschen um dich herum häufig nicht die Kraft dazu haben. Auch Trauergruppen werden meist von Trauerbegleiterinnen geleitet. So eine Gruppe bietet Einbindung und Gemeinschaft. Die Erfahrung auf zugewandte und liebevolle Menschen zu treffen, die auch mit Verlusten umgehen müssen, überwindet einen Teil der Isolation und wird für viele zu einer wichtigen Kraftquelle. Auch wenn du zu VIVAS kommst, triffst du immer auf trauererfahrene Menschen. Dort versucht man vor allem, dir viele positive Impulse und Gemeinschaft zu ermöglichen. Unsere Zauberworte heißen Vernetzung und Aktivierung.

Zuletzt möchte ich hier noch eine Lanze brechen für vierbeinige Trauerbegleiter. Auch ohne Zertifikat sind Tiere manchmal die wirkungsvollsten Therapeuten. Sie sind einfach da, sie spüren dich, sie fordern dich auf, aktiv zu sein. Ihre Fähigkeit zu bedingungsloser Liebe hat die Kraft, dich in deiner Trauer zu stützen und sogar zu trösten. Manche von euch sagen, sie hätten es ohne diese Hilfe nicht geschafft. Die Fülle an Zuwendung und Hingabe, die ein Tier dir schenken kann, scheint fast grenzenlos.

Ich verneige mich demütig vor allen vierbeinigen Therapeuten.

 
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